09.02.2022

Woher kommt all das Geld?

Mit der Corona-Krise sind viele Schranken gefallen. Plötzlich konnten die Regierungen Tausende von Milliarden für Entschädigungen und Stimulus-Programme ausgeben. Niemand hat gefragt, woher all das Geld dazu überhaupt kommen soll oder nach höheren Steuern gerufen. Die Finanzierung von Staatsausgaben ist tatsächlich selten ein Problem – hier gibt es viele Missverständnisse um den Ursprung des Geldes. Das Problem sind die möglichen Folgen wie Inflation.

Peter Frech

vonPeter Frech

Fondsmanager

Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie schockiert Kinder und so manche Erwachsene auf Bilder reagieren, in denen haufenweise Banknoten geschreddert werden. Was hätte man mit dem Geld nicht Schönes kaufen oder Gutes tun können? Der Schock beruht auf der Vorstellung, dass das Geld an sich einen Wert hat und nicht einfach ein bedrucktes Stück Papier darstellt.

Aber wieso hat dieses farbige Papier denn überhaupt einen Wert? Die Antwort darauf ist zentral, um zahlreiche Phänomene zu verstehen. Doch die Natur des Geldes ist von vielen Irrlehren umrankt. Es hilft nicht, dass praktisch alle Lehrbücher dazu historisch falsch sind und zahlreiche Missverständnisse nähren.

Die gängige Erklärung für den Ursprung und Wert des heutigen Geldes wird auf den Tausch mit Metallen zurückgeführt, man spricht auch von Metallismus. Die Argumentationskette geht in etwa wie folgt:

  • Von Anbeginn betrieben die Menschen Tauschhandel.
  • Mit komplexer werdenden Interaktionen setzten sich gewisse gut haltbare und teilbare Rohstoffe wie Gold oder Silber als bevorzugtes Tauschmittel durch.
  • Bestimmte Mengen dieser Metalle wurden zu Münzen standardisiert und damit zu Geld. Dieses Geld wurde zum allgemein anerkannten Standard für den Handel und die Bemessung von Wert. Fürsten und Könige zogen das Münzmonopol an sich.
  • Metallgeld konnte bei Goldschmieden und den später daraus entstehenden Banken hinterlegt werden. Dafür gab es Banknoten, die praktischer in der Handhabung waren als Berge von Münzen.
  • Daraus entstand das Kreditwesen, wobei auch mehr Banknoten ausgegeben werden konnten, als effektiv Gold hinterlegt war.
  • Während Kriegen wurde die Golddeckung des Geldes oft aufgehoben oder abgewertet. 1971 fiel sie mit dem Fall des Nachkriegssystems von Bretton Woods ganz weg. Seither besteht keine Metalldeckung des Geldes mehr.

Schon der letzte Schritt zeigt, dass etwas seltsam an der Geschichte sein muss. Über Tausende von Jahren hatten wir Metallgeld und seit 50 Jahren spielt das plötzlich keine Rolle mehr und niemanden kümmert es?

Eine genauere Betrachtung zeigt, dass praktisch alles an dieser Herleitungskette nicht den historischen Tatsachen entspricht. Der britische Gelehrte Alfred Mitchell-Innes machte schon 1913 in Beiträgen im Banking Law Journal darauf aufmerksam. Neben dem deutschen Nationalökonomen Georg Friedrich Knapp, der 1905 seine «Staatliche Theorie des Geldes» publizierte, gilt Mitchell-Innes heute als Begründer der alternativen Geldtheorie des Chartalismus. Gemäss dieser entsteht Geld durch einen Akt des Gesetzgebers und seine Macht, Steuern in Form des von ihm emittierten Geldes zu erheben.

Der Ursprung geht auf das Kreditwesen und Schuldverpflichtungen zurück. Geld ist ein Geschöpf des Gesetzes, nicht des Tauschhandels mit Metallen.

Die Vertreter der momentan aufstrebenden Modern Monetary Theory (MMT) sind Chartalisten und berufen sich auf Knapp und Mitchell-Innes. Es gab jedoch schon früher immer wieder Ökonomen wie etwa Adam Smith, die in eine ähnliche Richtung argumentierten.

Woher kommt das Geld also wirklich und wieso hat es ohne Metalldeckung einen Wert? Die alternative Erklärung der Chartalisten geht so:

Seit Anbeginn und auch in heute noch existierenden Stammesgesellschaften gibt es Tauschhandel auf Kredit. Zwei Menschen kommen zum Beispiel überein, ein Kleidungsstück gegen 50 Eier zu tauschen. Der Hühnerzüchter hat aber vielleicht gar keine 50 Eier oder der Schneider will nicht alle aufs Mal. Es entsteht eine Schuld, die in der Zukunft eingelöst werden muss. Der nächste Schritt ist, dass der Schneider von seinem Guthaben von 50 Eiern ein Dutzend dem Schmied weitergibt im Tausch gegen ein neues Messer. Damit ein solches System von Schuldverpflichtungen funktioniert, braucht es Vertrauen oder eine Autorität, die deren Durchsetzung garantiert. Es ist wohl kein Zufall, dass sich in allen alten Kulturen die Gesetzestexte vor allem um das Schuldrecht drehten.

Die ältesten bekannten schriftlichen Aufzeichnungen stammen aus dem alten Mesopotamien. Es sind Tontafeln, in denen mit Keilschrift akribisch Buch geführt wurde über Schuldverpflichtungen. Die Schrift wurde offensichtlich nicht von den Poeten erfunden, sondern von den Buchhaltern.

Abbildung: Eine Tontafel in sumerischer Keilschrift bestätigt den Erhalt eines Ochsen.

Diese mesopotamischen Schuldtafeln sind mehr als 1000 Jahre älter als die ersten bekannten Metallmünzen. Die allermeisten wurden in den Tempeln gefunden und bezogen sich auf Schulden in Form von Getreide-Scheffeln oder Vieh. Auch in späteren Zeiten wie etwa im alten Jerusalem oder auf der griechischen Insel Delphi dienten die Tempel als Banken. Naive Metallisten nahmen an, dass die Tempel diese Schuldtafeln analog zum Gold als eine Art Quittung ausstellten und in den Tempeln tatsächlich bergeweise Getreide gelagert und lebendes Vieh gehalten wurde. 

Warum die Geldwechsler im Tempel waren

Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Tempel wie die späteren Banken als Zahlstelle für Schulden dienten. Um Geschäfte abzuwickeln, Kredite zu gewähren und Schulden zu tilgen, war es damals wie heute nicht nötig, dass grosse Mengen an Getreide oder Münzgeld tatsächlich die Hand wechselten: Wenn im alten Mesopotamien Bürger Agum von Bürger Burgas ein Haus kaufen wollte und dafür 100 Scheffel Getreide zahlte, musste nicht so viel Korn bewegt werden. Es reichte die Ausstellung eines Zahlungsversprechens über diese 100 Scheffel. Der Verkäufer Burgas wiederum konnte, dank seines neuen Guthabens von 100 Scheffeln, nun selbst auf Einkaufstour gehen und beim Schneider für 3 Scheffel ein neues Kleid und beim Schmied für 5 Scheffel neue Werkzeuge kaufen – nicht gegen Bares Getreide, sondern als Kredit gegen sein Guthaben von 100 bei Hauskäufer Agum. Am Schluss gingen alle in den Tempel, der als Zahlstelle (Englisch «Clearing House») diente, und alle Schulden und Guthaben konnten gegeneinander verrechnet werden – wie es auch heute noch alle Banken tun.

Die ältesten Geldsysteme waren also kreditbasiert und nicht metallbasiert. Der Wohlstand eines Mannes und wie viel Kredit er in der Gesellschaft hatte, beruhte nicht primär darauf, wie viele Scheffel Getreide er in seinem Speicher eingelagert hatte, sondern wie viele andere Leute ihm wiederum etwas schuldeten. Das ist der zentrale Punkt, um zu verstehen, wieso unser heutiges staatliches Papiergeld einen Wert hat. Dazu später mehr.

Münzgeld tauchte erst viel später etwa 700 v. Chr. in Kleinasien im Königreich Lydien auf, später auch im antiken Griechenland. Obwohl es sich meist auf eine nominale Gewichtseinheit wie eine Drachme Silber bezog, stellt jeder Numismatiker etwas Kurioses fest: Praktisch keine zwei antiken Drachmen waren identisch: Sie enthielten die unterschiedlichsten Mengen Silber und Gold. Sie waren oft mit viel Blei oder Kupfer durchsetzt und wogen mal mehr oder weniger. Der Wert der Drachmen verschiedener Stadtstaaten zueinander war total unterschiedlich und unterlag grossen Schwankungen.

Abbildung: Lydische Elektrum-Münzen aus Gold und Silber: Die völlig variablen Grössen und Metallzusammensetzungen sind augenfällig. (Quelle: Coinpedia.org)

Diese Beobachtung zieht sich durch die Jahrhunderte hindurch: Der Metallgehalt von Münzen war höchst variabel. Seien es die römischen Sesterzen, die Sous der fränkischen Könige oder die zahllosen Münzen mittelalterlicher Fürsten und Stadtstaaten. Es gab praktisch nie Versuche, den Metallgehalt zu standardisieren. Aus einem einfachen Grund: Weil der Metallgehalt keine Rolle spielte.

Was jedoch immer eine grosse Rolle spielte, war, wessen Kopf oder Wappen auf der Münze prangte. Die Münzen waren nicht metallbasierte Tauscheinheiten, sie waren abstrakte Kreditmarken. Ihr Wert bemass sich nach der Bonität des Herausgebers. Sie wurden nur auf Metall geprägt, weil sie auf diese Art gut haltbar und relativ fälschungssicher waren.

Dass der Metallgehalt der Münzen bei weitem nie ihrem nominalen Wert entsprach, ist kein Fehler oder das Werk betrügerischer Emittenten – sondern zentraler Bestandteil des Systems. Münzen, deren Metallwert den Nennwert erreichte, verschwanden seit jeher aus dem Umlauf und wurden eingeschmolzen.

Generell war die Zahl der Metallmünzen im Gebrauch sehr gering in Relation zu den nominalen Summen, um die es in dokumentierten Geld- und Staatsgeschäften ging. Oft wurden Hunderttausende oder gar Millionen von Mark, Gulden, Florin und Maravedi verschoben – aber eben nicht in physischer Form, sondern als Zahlungsversprechen. Die grossen mittelalterlichen Messen in der Champagne und später die italienischen Banken dienten als Zahlstellen, um diese Schulden und Guthaben gegeneinander zu verrechnen.

Die Haselstöcke des Sheriffs von Nottingham

Hätte Robin Hood tatsächlich den königlichen Steuertransport des Sheriffs von Nottingham überfallen, hätte er in der Truhe nicht haufenweise Münzen gefunden, sondern Haselstöcke. Aus Hasel- oder Weideruten gefertigte «Tally Sticks» waren die Hauptform, in die englischen Könige ihre Ausgaben tätigten und ihre Steuern eintrieben. Auch in Mitteleuropa waren solche «Kerbhölzer» noch bis ins 19. Jahrhundert hinein gebräuchlich. In England wurde das System erst 1834 endgültig abgeschafft.

Das System war bestechend einfach und sehr fälschungssicher. In einen Haselstock wurden Kerben geritzt, zum Beispiel eine Grosse für ein Pfund, eine kleine für einen Shilling. Diese gaben den nominalen Kreditbetrag an. Auf der Seite wurden die Namen der Parteien vermerkt. Dann wurde der Stab längs durch die Kerben hindurch gespalten. Das grössere Teil, dass am Ende mit einem dicken Vorsatz versehen war, wurde «Stock» genannt. Der «Stock holder» war der Geldgeber wie heute der Aktionär. Den kürzeren «Stub» oder «Foil» bekam der Schuldner. Durch den individuellen Verlauf der Holzspaltung wurde sichergestellt, dass nur zwei Kerbhölzer genau zusammenpassten.

Abbildung: Beispiel für ein Kerbholz oder Tally Stick: Oben die Ritzen für den nominalen Wert auf beiden Teilen. Unten der dickere und längere «Stock» des Geldgebers.

Zahlreiche Redewendungen beziehen sich auf dieses jahrhundertealte Kreditsystem: «Etwas auf dem Kerbholz haben» oder «Am kürzeren Ende sitzen» für die Schuldner zum Beispiel.

Wurde die Schuld beglichen und passten die beiden Teile aufeinander, wurden sie zerstört. Die «Stocks» mit den Guthaben konnten jedoch auch weitergegeben und ihrerseits für Zahlungen verwendet werden. Sie waren sozusagen ein «Inhaber-Wertholz». Wer einen solchen Beleg hatte, dass er beim König oder einem renommierten Kaufmann etwas zu Gut hatte, konnte damit so ziemlich überall etwas kaufen, beziehungsweise er bekam wiederum überall Kredit.

Geld war Kredit und Kredit war Geld. Tontafeln, Münzen und Kerbhölzer, später papierbasierte Wechsel, Kreditbriefe und Wertschriften waren nur die Medien, um diese sozialen Schuldgeflechte zu dokumentieren. Der Wert dieses Geldes richtete sich nicht nach ihrem Rohstoffwert, sondern der Bonität des Schuldners.

Wieso bekommt der Staat überhaupt Kredit?

Doch eine wichtige Frage bleibt offen: Was hatte eigentlich der König oder Staat in diesem kreditbasierten Geldsystem anzubieten? Er produziert kein Getreide, fördert kein Silber und schneidert keine Kleider. Wieso bekommt der Staat Kredit? Die Antwort ist ganz einfach: Er hat das Recht, Steuern einzutreiben und damit eine Forderung auf die Produktion und die Güter aller seiner Untertanen.

Wenn der englische König auf seiner Reise durch das Land etwas kaufen wollte, öffnete er nicht seine Schatulle, um Münzen hervorzukramen. Er liess seine Beamten einen Tally Stick im Umfang des Kaufbetrags erstellen. «Der englische König schuldet Robert dem Schmied 50 Pfund». Gleichzeitig erlegte der Herrscher kraft seines Gewaltmonopols seinen Untertanen eine Steuerschuld auf: Zölle auf Waren, Grundbesitzsteuern, später Einkommenssteuern. Wie sollten die Untertanen nun ihre Steuerschulden begleichen, wenn sie nicht ihr Hab und Gut verlieren oder im Kerker landen wollten? Indem sie Güter und Dienstleistungen mit Leuten wie dem obigen Schmied tauschten, der etwas vom König zu Gut hatte. Der König gab sein Geld aus, um Waffen zu kaufen und Soldaten anzuheuern. Diese gaben ihr Geld aus, um Essen und Trinken zu kaufen. Die Gastwirte und Bauern wiederum benutzten es, um ihre Steuerschulden beim König zu begleichen. So zirkulierte das Geld und die Tally Sticks kamen wieder zum König zurück.

Weil praktisch alle Steuern zahlen mussten, hatte jeder ein Interesse daran, zumindest etwas von diesem Geld zu erwerben. Nicht jeder wollte ein Guthaben bei Robert dem Schmied aus London, schon gar nicht, wenn er fernab in Newcastle wohnte. Doch praktisch jeder im Land konnte ein Guthaben beim König gebrauchen. Damit setzte sich das Geld des herrschenden Souveräns auch schnell als Zahlungsmittel und Recheneinheit für alle Geschäfte der Bürger untereinander durch – bis zum heutigen Tag.

Wichtig dabei: Die zeitliche Reihenfolge von Staatsausgaben und Steuereinnahmen ist umgekehrt, als es der Laie oder viele Lehrbücher vermuten: Zuerst gibt der König oder der Staat sein Geld aus, dann fordert er es als Steuern wieder zurück.

Als die amerikanischen Kolonien erstmals Papiergeld einführten, um Soldaten anzuheuern, emittierten sie logischerweise zuerst das neue Geld und führten gleichzeitig eine neue Steuer ein, die dann später mit eben diesem Geld bezahlt werden musste. Andersherum geht es nicht. Folglich muss der Staat bis zum heutigen Tag nicht darauf warten, dass die Leute ihre Steuern bezahlt haben und alles Geld nach Washington, Berlin oder Bern überwiesen wurde, bevor er etwas ausgeben kann. Wie es der ehemalige Notenbank-Chef Ben Bernanke in der Senatsanhörung nach der Finanzkrise von 2008 den etwas begriffsstutzigen Senatoren zu erklären versuchte, wurde die grosse Bankenrettung nicht mit Steuergeldern durchgeführt. Der Staat beziehungsweise Bernanke buchte den Banken einfach mit dem Computer ein paar Hundert Milliarden Dollar Guthaben auf ihre Konten bei der Zentralbank. Es war nicht nötig, zuerst auf die Steuerzahlungen von Bill Gates oder Exxon Mobil zu warten.

Abbildung: Das neue Papiergeld der amerikanischen Kolonien musste zuerst ausgegeben werden.

Der Staat gibt nie direkt eingenommenes Steuergeld aus, sondern bucht über das Konto des Schatzamts bei der Zentralbank den Geschäftsbanken einfach die nötigen Beträge aufs Konto. Einen gewissen Teil davon holt er sich später über Steuern zurück. Doch wie gross das Fiskaldefizit effektiv ausfällt, ergibt sich immer erst im Nachhinein.

Das von den Chartalisten und MMT-Anhängern propagierte Primat des Geldausgebens zeigte sich während der Corona-Krise eindrücklich: Tausende von Milliarden Dollar, Euro und Franken wurden über Nacht als Kurzarbeitsentschädigungen und Stimulus-Checks den Firmen und Bürgern auf die Konten gebucht. Die Frage, ob genug Geld in der Kasse ist oder die Steuereinnahmen dazu reichen, interessierte niemanden – ganz anders als noch im Nachgang der Finanz- und Eurokrise.

Ein Staat ohne Schulden in Fremdwährung kann nicht pleite gehen

Ein souveräner Staat kann folglich nicht zahlungsunfähig werden, so lange er sein eigenes Geld ausgeben kann und keine Schulden in Fremdwährungen hat – ausser er auferlegt sich künstliche Regeln wie eine Schuldenobergrenze. Ganz anders steht es um einen US-Bundesstaat, einen Schweizer Kanton oder ein Eurozonen-Land wie Italien: Ohne eigene Währung müssen diese tatsächlich die Pleite fürchten.

Klar ist aber auch, was geschieht, wenn ein Staat ständig viel mehr Geld ausgibt, als er nachher mit Steuern zurückholt: Das Geld wird weniger wert, da immer mehr Forderungen gegenüber dem Staat ausstehen, ohne das die Produktion von Gütern und Dienstleistungen im Land steigt. Inflation ist die logische Folge.

Im Prinzip ist Inflation nichts anderes als Discounting: Wenn ein Kaufmann oder König im Mittelalter zu viel auf Kredit einkaufte, wurden seine Zahlungsversprechen immer mehr mit einem Abschlag gehandelt. Dasselbe gilt bei einem zu ausgabefreudigen Staat, seien es seine Anleihen oder sein Bargeld. Wenn der Staat also sein Bargeld schreddert, sollten wir uns alle reicher fühlen, nicht ärmer.

Etwas verkompliziert wird die Lage durch die Existenz der Banken, die durch Bilanzsausweitung ebenfalls Kredite in staatlicher Währung ausgeben und so die Inflation anheizen können. Über die Geldpolitik und durch die Regulierung der Zentralbanken sind die Geschäftsbanken jedoch dem Staat untergeordnet.

Die Vertreter der MMT betonen den Primat der staatlichen Fiskalpolitik. Die Geldpolitik der Zentralbanken halten sie dagegen für relativ irrelevant. Die Frage ist nicht, ob genug Geld für alle Staatsausgaben da ist, sondern mit wie viel Inflation man zu leben bereit ist. Während die Modern Monetary Theory sehr gut die Herkunft des Geldes und der Inflation erklären kann, weist sie jedoch auf der Angebotsseite noch grosse Lücken aus: Wie und warum wird überhaupt etwas produziert? Was ist der Zusammenhang zwischen Sparen, Investieren und steigender Produktion? Wie wirken sich höhere Steuern auf die Produktion aus? Hier gibt die Österreichische Schule der Wirtschaftslehre viel überzeugendere Antworten als MMT.

Konklusion für Investoren

«Die Kosten spielen keine Rolle», damit lassen sich die staatlichen Reaktionen auf die Corona-Krise weltweit zusammenfassen. Fiskaldefizite wie zuletzt nur im Zweiten Weltkrieg waren in vielen Ländern die Folge. Über die nun grassierende Inflation braucht man sich nicht zu wundern. Ein Ende ist nicht zu erwarten, so lange die Ausgaben nicht gekürzt oder die Steuern erhöht werden – oder wir in eine neue globale Rezession stürzen.

In einer besonders prekären Lage ist die Eurozone. Die EZB hat de facto die volle Kreditdeckung aller Mitgliedstaaten übernommen. Salopp gesagt, darf nun Klein-Italo unbegrenzt mit Papa Deutschlands Kreditkarte shoppen gehen. Während mit den Maastricht-Kriterien und in der Eurokrise noch versucht wurde, die Spendierlaune der südeuropäischen Staaten mit Sparauflagen zu bremsen, hat jetzt selbst Deutschland Gefallen am Geldausgeben gefunden: Energiewende, Rentenerhöhungen, Pflege-Prämien, die Wunschliste ist natürlich immer lang. Da ist es auch völlig egal, ob Mama Lagarde nun die Leitzinsen dieses Jahr um ein Viertelchen erhöht oder nicht.

Für Investoren bedeutet dies, dass die Inflation noch eine längere Zeit eine grosse Rolle spielen dürfte. Traditionell sind Rohstoffanlagen und günstige Value-Aktien die besten Investments bei hoher Teuerung. Auch Währungen von Ländern mit relativ geringem Fiskaldefizit wie der Schweiz sollten sich besser halten. Je mehr der Wert des Geldes aber schwankt, desto schwieriger wird es, die Übersicht über seine Investments zu behalten. Reichtum ist letztlich nicht eine Frage des Besitzes von staatlichem Geld, sondern der Sachwerte und persönlichen Beziehungen.

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